Home Forum Galerie Karte Impressum
 

Märchen für Klein und Groß


Der gebrochene Flügel Der erloschene Kristall Der traurige Mond Der kleine Puma Die Quelle der Weisheit Hoppelhase


Der gebrochene Flügel

An einem kleinen Bach im Waldesinnern genau da, wo der Laubwald in einen Tannenwald übergeht, lebte ein kleiner Elf.

Wie alle Jungs war er abenteuerlustig und verbrachte ganze Tage damit, die nähere und ferne Umgebung zu erkunden. Eines Tages, als er mit seinen Brüdern unterwegs war, um Beeren für den Winter zu sammeln, wurde er durch ein kleines Zicklein abgelenkt, das verloren durch den Wald irrte. Während er beobachtete, wie das anmutige, zierliche Tier mit hängenden Ohren durch den Wald streifte, bemerkte er gar nicht, dass er selbst sich immer weiter von seinen Brüdern entfernt hatte, und als er sich umschaute,  waren sie alle verschwunden?

Alles Rufen half nichts. Er war so weit aus vertrautem Gelände herausgeflogen, um dem Zicklein zu folgen, so dass er vollkommen die Orientierung verloren hatte.

Das letzte was ihm von dem weißen Tier in Erinnerung geblieben war, bevor es im Dickicht verschwand, war ein einzelnen gedrehtes kleines Horn, mitten auf der Stirn. Aber nun war das Zicklein im Unterholz verschwunden und er hatte sowohl seine Brüder als auch das Zicklein aus den Augen verloren. Er ließ sich auf einem Stein nieder, unmittelbar am Bach, der unter einer dünnen Eisschicht gemächlich vor sich hinplätscherte. „Und wenn ich dem Bachlauf folge, ja dann komme ich irgendwann wieder nach hause“ dachte er bei sich, ohne daran zu denken, dass der kleine Bach unterwegs ein paar Abzweigungen genommen hatte. Während er so dasaß und den gefrorenen Gräsern und Blättern zusah, die in den wärmenden Sonnenstrahlen einsam vor sich hinglitzerten, kam ihm der Gedanke statt nach hause zu fliegen, dem Elfenmädchen Racine einen Besuch abzustatten, das flussabwärts wohnte und von deren Schönheit überall im Wald gesprochen wurde. Ja, er würde sie an diesem Tag besuchen und zurückfliegen, bevor die Sonne am Nachmittag unterging. Seine Brüder würden Augen machen: Vielleicht würde sie ihn hereinbitten, einen Tee oder sonst eine Erfrischung anbieten, schwärmte er vor sich hin. Ja und wenn jetzt statt Winter Sommer wäre – könnten sie sogar zusammen in ihrem sagenumwobenen Teich schwimmen, der von unten her von einen versunkenen Kristall angestrahlt wurde. Jetzt aber, Sommer hin – Sommer her, war es jedenfalls ziemlich frisch, um nicht zu sagen bitterkalt. Er schlug ein paar mal kräftig die Flügel aneinander, auf denen sich schon Eisblumen und Raureif gebildet hatten, versteckte seine kalten Finger unter den wärmenden Achseln und schlackerte hin und her mit den Beinen, um sich wenigstens ein klein bisschen aufzuwärmen. Ja, kaum hatte sich eine dunkle Wolke vor die Sonne geschoben, wurde es empfindlich kalt. Während er noch unentschlossen so vor sich hin bibberte und dabei mit Schrecken feststellt, dass seine Flügel schon ganz vereist waren, bewegte er sich schneller und schneller und schlug sie vor Aufregung so fest aneinander, dass er auf einmal ein Geräusch hörte, wie – wie Glas, wenn es reißt, bevor es zerbricht und – oh je – einer seiner Flügel war kaputt, zerbrochen .......

Mhmmmm, was soll ich nur tun, mit nur einem Flügel kann ich nicht fliegen und zu Fuß – oh je – bei meiner „Größe“, ich brauch ja Monate bis ich wieder zu Hause bin!

Ja, manchmal tut es gut, ein bisschen zu weinen.

Die Tränen froren schneller zu Eis, als er neue weinen konnte und kullerten wie durchsichtige Perlen über seine Wangen. „Warum nur hab ich keinen Schutzengel wie die Menschenkinder!“ rief er schluchzend, „der könnte mir sicher helfen!“ WER sagt denn, dass du keinen Schutzengel hast? Hörte er eine beruhigende, besänftigende Stimmte, und wie aus einer goldenen Wolke von Licht erschien direkt neben ihm ein engelhaftes Wesen. „Ich heiße Raphael und ich bin bei Dir, um Dir zu helfen. Eigentlich bin ich schon immer bei Dir, aber Du hast nie nach mir gerufen! „Kannst du mir helfen, fragte zaghaft der kleine Elf“. Die Frage lautet: Wie kannst du dir helfen? Oh ja, du kannst.  Alle Antworten sind schon da, da drinnen und tippte ihm mit EINEM Finger aufs Herz. „Sie wird zu dir kommen, wenn du es zulässt. Ein vertrautes Gefühl durchflutete den kleinen Elf. „Hast du früher schon zu mir gesprochen? Deine Nähe kommt mir so bekannt vor, so vertraut? „Oh ja“ antwortete der Engel, aber du hast nicht gewusst, wo diese Stimme herkommt und jetzt wo dich dieses vertraute Gefühl erinnert sag ich dir: Vertrau mir – Alles ist gut, so wie es ist.

Und während er in einem goldenen Nebel entschwand, hörte er noch leise die Worte: Was würdest du sagen, wenn du selbst bei jemand anderem auch Schutzengel wärst – und weißt es selber gar nicht? Der kleine Elf war über diese Worte so erschrocken, dass er rückwärts in den zugefrorenen Bach fiel und schwupp di wupp purzelte er aufs Eis und rutschte auf den Hosenboden, wie auf einer Rodelbahn den Bach hinunter. Und als das erste Gefühl der Angst verflogen war, legte er sich in die Kurven, duckte er sich unter herunterhängenden Zweigen, fuhr schwungvoll um die bemoosten Steine, die aberwitzig aus dem Eis hervorschauten und plumps fiel er mit Karacho in das eiskalte Wasser des Elfenteichs. Darin dämmerte ein geheimnisvolles violettes Licht  so schwach vor sich hin, als habe es das Schimmern und Strahlen schon lange aufgegeben und dennoch war ihm, als ziehe ihn das geheimnisumworbene Licht des unterirdischen Kristalls mit magischer Kraft immer tiefer und tiefer. 

Angst überkam ihn, er flatterte aufgeregt mit seinen Flügeln, aber jetzt, wo einer kaputt war, konnten sie ihm nicht viel helfen. Also strampelte er mit den Beinen und schlug dabei wild um sich und ihm war als müsse er jeden Augenblick ertrinken, doch bevor ihn das Wasser des Elfenteichs ganz verschlungen hatte, war ihm, als schwebe er wieder nach oben – auf dem Rücken der alten Wasserschildkröte, die als Hüterin des Kristalls unten im Teich wohnte. Er wurde sanft an einem natürlichen Felsvorsprung abgesetzt, wo er sich auf dem trockenen Moos von seinem Schreck erholen konnte. Danke, vielen Dank! Stammelte er der Schildkröte hinterher. Entschuldigung, ich suche Racine? Ist dass das Haus von Racine? Das Haus, nein, aber ihr Lieblingsplatz, aber das ist schon lange her. Sie lebt nicht mehr hier und seit der Zeit ........ und ihre Stimme klang schwermütig, haben wir nur noch sehr wenige Besucher. Und mit einem traurigen Blick zurück verschwand sie wieder unter Wasser und der violette Kristall blinkte bestätigend dazu. „Ah, was für ein Schlammassel, das ist mir eine schöne Bescherung, sprach der kleine Elf ungehalten zu sich selbst. So weit weg von Zuhause, dann zu allem Überfluss noch ein Flügel gebrochen und die einzige Elfe, die mir helfen könnte ist nicht mehr da. Wo bist du eigentlich, Raphael, von wegen Schutz-Engel, schnaubte  er sich verärgert die Nase. Er fühlte sich von aller Welt alleingelassen, so mitten um Wald, in einer fremden Gegend und außerdem: Er hatte Hunger, ganz furchtbaren Hunger.

Die paar Beeren, die er gesammelt hatte, waren in den Teich gefallen. Bevor er weiter über sein Schicksal nachdenken konnte, wurden seine Gedanken von einem Geräusch unterbrochen. Er versteckte sich so gut es ging und auf einmal sah er das weiße Zicklein mit dem gedrehten Horn, wie es mit letzter Kraft sich einen Weg aus dem Dickicht bahnte. Traurig, müde und erschöpft sah es aus und noch bevor es am Teich angekommen war, um zu trinken um wieder zu Kräften zu kommen, brach es vor Erschöpfung zusammen und atmete schwer. Es konnte keinen einzigen Schritt mehr gehen und so lag es da – wie tot. 

„Warte, ich helfe dir“ rief der kleine Elf und sprang, so gut es der gebrochene Flügel erlaubte, aus seinem Versteck. Das einhörnige Zicklein schaute ihn dankbar an, obwohl es kaum noch die Augen offen halten konnte. „Danke“ murmelte es, ich bin schon sooo lange auf den Beinen, ich kann nicht mehr“.

Mit seinen kleine Händen hatte der Elfenjunge Wasser aus dem Teich geschöpft und hielt es dem Zicklein vorsichtig unters Maul, damit es trinken konnte. Du siehst aus wie ein verzaubertes Einhorn, staunte der kleine Elf, ganz genau so – nur kleiner! „Mach du dich auch noch über mich lustig, was meinst du, warum ich von zuhause weggelaufen bin? Alle haben mich ausgelacht und aufgezogen: Einhorn, Einhorn, dabei  bin ich doch nur ein kleines Zicklein und ich hab halt nun mal nur EIN Horn“ antwortete es trotzig. Ja und sei froh drum, für mich bist die ein Einhorn – mein Einhorn – wenn ich dich so nennen darf, sagte er mit so eindringlicher Stimme, dass das Zicklein erstaunt den Kopf  hob. Siehst du, ich bin doch auch so klein und deshalb bist du  für mich das größte Einhorn,  das ich jeh gesehen habe! Ein hoffnungsvolles Schimmern zeigte sich in den Augen des Zickleins – und wenn man genau hinsah – spiegelte sich in seinen Augen das Sternbild des „Pegasus“, des geflügelten Fabeltieres hoch oben am Himmel und lächelte verständnisvoll auf seinen Schützling herunter. „Weißt du, flüsterte ihm der Elfenjunge ins Ohr, als ich klein war, dachte ich immer Einhörner die gibt´s ja gar nicht, aber seit ich dich gesehen habe, weiß ich es besser und ich weiß auch: Du hast magische Kräfte, könntest du mir meinen gebrochenen Flügel wieder heilmachen? Und als er so sprach, spürte das Zicklein ein Kribbeln in seinem gedrehten Horn, ja und er konnte es kaum glauben, es wuchs und wurde größter und größer. „Schau nur“ rief der kleine Elf, Sternenstaub fällt vom Himmel und lässt dein Horn wachsen, oh wenn du es nur sehen könntest! Auf einmal fühlte sich das Zicklein seltsam erfrischt und spürte neue Kräfte in sich wachsen. Zaghaft stellte es sich auf seine noch wackeligen Beine und stabste ein paar Schritte zum Teich. Das muss ich mit eigenen Augen sehen! Und der Elf, halb flatterte er, halb lief er aufgeregt nebenher, „siehst du, fühlst du, ich hab´s gewusst, ich hab´s gewusst! Und im Spielbild des Teiches sah das Zicklein sein eigenes neues Ebenbild. Es war ein richtiges Einhorn geworden – durch den Glauben eines Jungen an die Magie des Unmöglichen, war ein Wunder geschehen. 

Kauf war ihm bewusst geworden, was geschehen war, erwachte der Glaube an sich selbst und er sprach zu dem Elfenjungen: „Nimm mein Einhorn zwischen deine Hände, schließe die Augen, atme 7 x tief ein und spüre den Sternenstaub, der mich vom Zicklein zum Einhorn gemacht hat. Atme tief in dich hinein, spüre wie er pulsiert in deinen Händen und sich weiterbewegt über die Arme, die Schulter, bis zu deinem Rücken, zu deinen Flügeln, ja er strömt durch deinen ganzen Körper und macht dich wieder gesund, wie von einer goldenen Pusteblume bist du innen und außen eingehüllt in magischen Sternenstaub – und wenn du dann wieder die Augen aufmachen willst, hat die Heilung schon begonnen.

Du kannst aber auch gerne weiterträumen und dann siehst du: Der kleine Elf bewegt vorsichtig die Flügel während er blinzelnd die Augen öffnete: War alles nur ein Traum gewesen? Nein, er sah sie noch immer, die tanzenden goldenen Lichter, er schien ganz durchdrungen davon.

Es wirkt, es wirkt! Ja ich weiß, flüsterte sanftmütig das Einhorn. Du kannst hier bleiben, bis es dir besser geht, bleib liegen und träum was schönes, vielleicht von dem Wunder, das zwischen uns entstanden ist? Ich danke dir, du warst wie ein Schutzengel für mich, aber nun muss  ich gehen, es warten viele Aufgaben auf mich, jetzt wo ich wahrhaftig ein Einhorn bin. Und während dem kleinen Elf, der es sich auf dem moosigen Lieblingsplatz des Elfenmädchens bequem gemacht hat und er sich im Halbschlaf räkelte und ausgestreckt hatte, die Augenlieder immer schwerer wurden, hörte er noch die Stimme: „Ich wird immer bei dir sein, du musst nur ganz fest an mich denken und wenn es dir mal wieder schlecht geht, denk daran: Jeder kann ein Wunder bewirken, wenn er nur fest genug daran glaubt. Und als er langsam, fast majestätisch zurückblickte in den Teich, bemerkte er das die Sterne des „Pegasus“ ihn zublinkten. Er schaute zum Himmel und sprach: „Hilf des Kleinen, ......................., wie schwer es ist, ein Schutzengel mit einem gebrochenen Flügel zu sein, bitte hilf ihm, wie du durch ihn auch mir geholfen hast. Und ein paar verirrte Sternen – Staub-Teilchen ließen sich auf dem Teich nieder und das eine und das andere blieben auf dem Flügel hängen. Und wer weiß, wenn der kleine Elf wieder aufwacht ........ und während wir abwarten bis er wieder ganz gesund ist, halben wir die Augen geschlossen und schauen noch mal zurück auf den Teich – mitten im Wald – das Einhorn verabschiedet sich mit einem letzten liebevollen Kopfnicken, bevor es im Wald verschwindet, der Sichelmond spiegelt sich im Teich und die Sternen-Staub-Teilchen glitzern golden überall, wo sie hingefallen sind. Und plötzlich sieht man ein violettes Leuchten aus den Tiefen des Wassers und auf einmal strahlen die goldenen Sternenteilchen von oben und von unten und vielleicht – ist in dieser Nacht ein zweites Wunder geschehen, vielleicht, hat das Wasser im Teich eine heilende Wirkung erhalten? Und wer in Gedanken seine Ängste und Sorgen, seine Krankheiten und Schmerzen in das gold-violette Licht des Wassers wirft, ja der wird genauso geheilt wie unser kleiner Elf.